Das saarländische Finanzministerium hat vor wenigen Wochen sein Projekt „Digitales Finanzministerium“ vorgestellt, eine Aktion, mit der die Behörde laut Pressemitteilung unter ihresgleichen bundesweit führend ist. Doch so gut das zunächst klingen mag – ein Grund zum Feiern besteht nur bedingt.
Im Rahmen des Vorhabens sollen bis Juni 2022 Akten digitalisiert werden. Finanzstaatssekretärin Anja Wagner-Scheid sprach von einer Reduktion der Akten im Ministerium um 95 Prozent. Allein die Einführung der elektronischen Personalakte (ePA) wandle 300 laufende Aktenmeter mit insgesamt 3.500 Akten und circa 1,5 Millionen Seiten in Digitalisate um. Hinzu kämen aus dem Bereich des allgemeinen Schriftguts 2.119 laufende Aktenmeter mit 27.972 Aktenordnern. Dadurch werde der Arbeitsalltag für die Mitarbeiter erleichtert, die Transparenz erhöht sowie Lagerraum und Personal eingespart, was wiederum zu einer Einsparung von Steuergeldern führe.
Zugleich stellte die Finanzstaatssekretärin zwei weitere Projekte auf dem Weg zur modernen saarländischen Finanz- und Steuerverwaltung vor. Das ist zum einen die bereits im Einsatz befindliche zentrale Schulungsumgebung für die Aus- und Weiterbildung der Bediensteten und zum anderen die Erhöhung des Automationsgrades bei der Abwicklung von Geschäftsprozessen. Letzteres Projekt überzeugte im Finanzamt St. Ingbert als Pilot und wurde nun in den Realbetrieb überführt.
Potenzial der Digitalisierung in Deutschland nicht annähernd ausgeschöpft
Diese Digitalisierungsprojekte sind als Teil der E-Government-Bemühungen zwar grundsätzlich erfreulich. Die Projekte wie das der Ausländerbehörde des Kreises Olpe oder die des Kreises Soest, des Märkischen Kreises und des Hochsauerlandkreises zeigen, dass Cocq in der jüngeren Vergangenheit diese zielführenden Bemühungen aktiv mitgestaltet hat.
Allerdings, so das Ergebnis des Indexes für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) der Europäischen Kommission, liegt Deutschland gegenüber anderen Mitgliedsstaaten beim E-Government weiterhin deutlich zurück. 2020 fand sich die Bundesrepublik an 21. Stelle der 28 untersuchten EU-Mitgliedsstaaten.
Dabei heißt es im Strategiepapier „Digitale Verwaltung“ des Bundesministeriums des Innern aus dem Jahr 2014 (!): „Gemäß § 6 EGovG i. V. m. Art. 31 Abs. 5 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften sollen Bundesbehörden zum 1. Januar 2020 ihre Akten elektronisch führen.“ Wie jedoch die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP im September 2020 auswies, sind zahlreiche Bundesbehörden davon noch immer weit entfernt. So hatten beim Statistischen Bundesamt zum damaligen Zeitpunkt lediglich zwölf Prozent der Beschäftigten eine E-Akte. Und das Bundeskanzleramt hat den Piloten „E-Akte Bund“ erst vor wenigen Monaten, nämlich im April 2021, gestartet.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) streut zusätzlich Salz in die Wunde: „Deutschland muss raus aus der analogen Bürokratie und rein in den digitalen Staat. Wir brauchen schnellstmöglich einheitliche Lösungen für unsere Unternehmen, denn die zunehmende Kluft zwischen öffentlicher und privater digitaler Ausstattung droht zu einem ernsthaften Standortproblem zu werden“, so eine Verlautbarung auf dessen Website.
Dabei ist die Implementierung einer elektronischen Aktenführung keine Raketenwissenschaft. Grundvoraussetzung ist die Digitalisierung der Bestandsakten. Das übernehmen professionelle Scandienstleister, ohne Personalkapazitäten von Verwaltungen in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn noch kein Dokumenten-Management-System zur Organisation der Akten vorhanden ist, lässt sich bereits mit diesem ersten Schritt einiges erreichen. Dazu gehören beispielsweise eine Platzersparnis und damit verbundene sinkende Nebenkosten, aber auch eine schnellere Auffindbarkeit von Dokumenten und die damit einhergehende zügige Beantwortung von Bürgeranfragen.
Wenn sich deutsche Ansprüche aber weiterhin darauf beschränken, Pilotprojekte wie jenes aus dem Finanzamt Homburg, Außenstelle St. Ingbert, welche die Veranlagung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durchschnittlich in „kaum mehr zu unterbietenden 28,7 Tagen“ vornimmt, als Vorzeigeprojekte zu handeln, scheint es noch ein sehr, sehr weiter Weg hin zur Erfüllung der Vorgaben des Bundesministeriums des Innern aus dem Jahr 2014.