Der im Jahr 2021 zwischen der SPD, den Grünen und der FDP ausgehandelte Koalitionsvertrag trägt den Titel „Mehr Fortschritt wagen“. Im Dokument heißt es, dass man vor allem die Digitalisierung vorantreiben wolle. Ganze 226-mal kommt der Wortstamm „digital“ im Koalitionsvertrag vor. Zudem haben wir seit dem Start der Ampelkoalition erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen Digitalminister. Er heißt Volker Wissing, falls das jemandem entfallen sein sollte.
Rund ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ist es also höchste Zeit, ein Fazit zu ziehen, wie es um die Digitalisierung in Deutschland bestellt ist. Konkreter Anlass ist die kürzlich vom Bitkom herausgegebene Studie „Digitalisierung der Wirtschaft 2024“.
Deutschland hinkt bei der Digitalisierung hinterher
In dieser Studie gaben 91 Prozent der befragten Unternehmen an, eine Digitalstrategie zu haben. Insofern sind wir doch auf dem richtigen Weg! – Mitnichten! So waren laut Statista im Jahr 2023 die USA Spitzenreiter im weltweiten Länderranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit. Deutschland hingegen belegte mit einem Indexwert von 80,86 Punkten den 23. Platz und liegt damit nur im Mittelfeld. Zudem ist das Vorhalten einer Digitalstrategie das eine, sie aber auch umzusetzen das andere. 48 Prozent gaben beispielsweise im Rahmen der Studie an, dass sie Probleme haben, die Digitalisierung zu bewältigen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um mehr als 20 Prozentpunkte. Als Hürden wurden vor allem Datenschutzanforderungen, der Fachkräftemangel und fehlende Zeit genannt. Wie Unternehmen diese meistern können, haben wir hier beschrieben.
Ebenfalls ist in der Studie zu lesen, dass zwei von drei Unternehmen ihre Digitalinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr konstant halten. Das klingt gut, könnte aber auch heißen, dass Unternehmen, die im vergangenen Jahr nicht einen Euro in die Digitalisierung investiert haben, so auch in diesem Jahr verfahren. 21 Prozent der Befragten gaben hingegen an, dass sie die Investition in diesem Jahr hochfahren werden, was allerdings aufgrund der gestiegenen Preise zu relativieren ist. Daher stellt sich die Frage, ob Unternehmen wirklich bereit sind, mehr Geld für die Digitalisierung auszugeben. Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst meint jedenfalls dazu, dass „überwiegend stabile oder sogar steigende Digitalinvestitionen angesichts der konjunkturell schwierigen Situation und der zahlreichen Regulierungseingriffe unter dem Strich ein positives Signal sind“.
Summa summarum hat Deutschland im internationalen Vergleich erheblichen Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Da gibt es nichts schönzureden. Hier ist vor allem die Politik gefordert, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn 97 Prozent der im Rahmen der Bitkom-Studie befragten Unternehmen gaben an, dass die Bundesregierung ihre Digitalisierungsvorhaben ausbremse. Daran wird auch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz wohl nichts ändern. Dieses hat die Bundesregierung quasi in letzter Minute nachgebessert, sodass Arbeitsverträge künftig nicht mehr auf Papier an Beschäftigte ausgehändigt werden müssen, sondern nun auch digital übermittelt werden können. Darüber hinaus sollen „die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege wie z.B. Rechnungskopien, Kontoauszüge und Lohn- und Gehaltslisten von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Die Unternehmen können die Belege daher früher als bisher entsorgen und sparen dadurch erhebliche Aufbewahrungskosten.“ – Ist das „gewagter Fortschritt“ made in Germany?